Anleitung zum Glück

Auf Umwegen ins Kurvenleben

Wenn ich einmal groß bin…

Geht es euch auch so? Hattet ihr gewisse Vorstellungen von eurem Leben und konkrete Bilder im Kopf, wie ihr einmal sein wollt, wenn ihr „groß“ seid?

Mir ging es so. Eigentlich dachte ich, mein Leben wäre völlig normal, vielleicht sogar zu normal und würde in geordneten Bahnen verlaufen. Kindheit, Schule, Abitur, Studium, Job, Familie. Eben der reguläre Weg, so wie es von einem erwartet wird. Doch oft kommt es anders als man denkt und die konkreten Bilder im Kopf verblassen, ordnen sich neu an oder werden einmal komplett durcheinandergewirbelt. Der Plan, der wie in Stein gemeißelt schien, war doch poröser als gedacht und hat nach und nach zu bröckeln angefangen.

Kurvenleben: Der Start

Wenn ich jetzt zurückschaue, wird mir klar, dass mein Leben eigentlich doch nicht unbedingt normal verlaufen ist und der gerade Weg für mich eigentlich nie eine Option war. Denn: Für mich ging es eigentlich nie direkt geradeaus, aber rückblickend betrachtet, hat mir das gutgetan und aus mir die Person gemacht, die ich heute bin.

Als ich ungefähr sechs Jahre alt war, haben meine Eltern sich getrennt. Zum ersten Mal, ging es für mich nicht den leichten Weg geradeaus, sondern einen kurvigen Umweg. Plötzlich wurde ich vor die Wahl gestellt. Wie geht es jetzt weiter? Wie wird mein Leben jetzt verlaufen? Und vor allem: werde ich trotzdem noch Geborgenheit und Trost erfahren, auch wenn meine Familie plötzlich nach gesellschaftlicher Sicht nicht mehr „intakt“ ist? Zugegeben, am Anfang war es schwer. Ich fühlte mich orientierungslos und hab mich stets einfach nur gefragt „wieso?“. Unfairerweise hat meine Mama meine Verzweiflung und die Wut am meisten abbekommen, denn sie war ja da. Mein Vater der abgehauen ist, nicht für mich da war und sich ein neues Leben mit seiner neuen Familie aufbaute, war der Heilige, dem alles verziehen werden konnte. Es war wie in einer verkehrten Welt und klar geworden ist mir das zu spät. Ich bin unglaublich dankbar für die Geduld und das Verständnis meiner Mama. Sie war immer für mich da und zusammen haben wir das durchgestanden. Heute habe ich keinen Kontakt mehr zu meinem Vater, aber dafür eine umso engere Bindung zu meiner Mama. Sie hat zwar viel gearbeitet, in Schichten und auch an Wochenenden, doch dadurch bin ich auch früh eigenständig geworden. Durch Höhen und schwere Tiefen sind wir gewandert, oft auch mit Komplikationen, die sich uns in den Weg gestellt haben. Doch wir zwei haben das gemeistert und unsere Beziehung zueinander ist etwas Besonderes. Wir haben nie die längsten und teuersten Urlaube gemacht, aber das mussten wir auch gar nicht, hatten nie das Meiste zur Verfügung, aber meine Mama hat alles getan, um uns zwei aus den vorhandenen Mitteln ein tolles Leben zu ermöglichen. Dadurch haben wir trotzdem viel Besonderes zusammen erlebt. Danke Mama. Ich glaube, das sage ich zu selten, aber nie habe ich es ernster gemeint. Danke für alles.

Von der Schule in die Zukunft

Meine Schulzeit war zwar von ein zwei Schulwechseln aufgrund von Umzügen geprägt, verlief aber ansonsten sehr gut und erfolgreich. Es war nicht einfach, sich in den bestehenden Klassengemeinschaften einzugliedern, aber irgendwie auch spannend. Ich hatte nie die größte Clique und zu den Beliebten gehörte ich ganz sicher auch nicht, dafür hatte ich wenig, aber besondere und wirklich enge Freunde.

Die Schulzeit war schön, doch wie alles im Leben viel zu schnell vorbei. Je schneller es auf das Ende der Schule zuging, desto größer wurde die Zukunftsangst – was soll ich tun, wenn die „Vorherbestimmung“ vorbei ist? Was will ich? Was kann ich? Wohin will ich gehen? Das war für mich keine leichte Entscheidung. Ich war noch nicht bereit, wegzugehen und daher entschied ich mich für ein FSJ Kultur an einer Kunstschule zur Selbstfindung. Es war eine spannende und ereignisreiche Erfahrung und dieses Jahr hat mir sehr viel Spaß gemacht. Jedoch habe ich eher mein falsches Ich gefunden und mich nach diesem kulturellen und kreativen Jahr entschieden, Germanistik und Theaterwissenschaft zu studieren, um mir eine Zukunft im Journalismus aufzubauen.

Was ist der richtige Weg?

Das Leben in der Selbstständigkeit begann und machte mir tatsächlich auch sehr viel Spaß. Ich hatte eine gemütliche kleine Wohnung im Studentenwohnheim, nette Leute kennengelernt und fühlte mich als Studentin in meiner Fachrichtung sehr wohl. Zumindest am Anfang. Trotz sehr guter Noten merkte ich nach dem ersten Semester, dass mir etwas fehlt. Ich fühlte mich unvollständig und orientierungslos.

Mir wurde mit der Zeit immer mehr klar, dass ich die Praxis vermisse, es vermisse, Dinge in die Hand zu nehmen und nicht nur Theorie absitzen wollte. Ich begann zu realisieren, dass das Kreative und Kulturelle mir zwar sehr am Herzen liegt, aber für meine berufliche Zukunft nicht das Richtige ist. Ich hatte plötzlich den Drang, meine Zukunft noch einmal umzuschmeißen und das tat ich auch.

Einmal komplett anders, bitte!

Ich entschied mich für eine Ausbildung. Während meines FSJ und eines Nebenjobs im Studium hatte ich viel mit verwaltenden Tätigkeiten zu tun und erkannte, dass das genau mein Ding ist. Für viele mag das langweilig klingen, aber mir macht es Spaß, Dinge zu ordnen und zu organisieren oder mir wirtschaftliches Wissen anzueignen. Ich glaube, dass ich das lange nicht gemerkt habe, da es einen sehr starken Kontrast zu meinen sonstigen Leidenschaften und Interessen darstellt, aber ich denke, genau darin liegt der Punkt. Ich habe meine kreative und chaotische Freizeit, ich backe und koche, ich lese und verfasse Texte, ich fahre mit meinem Motorrad durch die Gegend und mit Achterbahnen durch Loopings und Schrauben, ich bin jedes Wochenende woanders, was ich unter anderem auch meinem wundervollen Freund zu verdanken habe. Wir sind immer unterwegs und spontan mal hier und mal dort. Und genau deswegen, brauche ich in meinem beruflichen Leben die Konstante. Ich habe das ordentlich Geregelte in meinem Job und das kreative Abenteuer in der Freizeit und ich denke das ist wunderbar so.

Kopf sagt so, Herz meint anders

Die Entscheidung war nicht leicht. Eine lange Zeit über wurde ich von Zweifeln und Zerrissenheit beherrscht. Sollte ich wirklich mein Studium aufgeben? Mit den Vorurteilen der Anderen leben und den Stempel „Studienabbrecher“ mein ganzes restliches Leben mit mir rumtragen? Mit 21 noch mal ganz von vorne beginnen? Was… will ich eigentlich, soll ich machen, wird meine Familie dazu sagen? Die Antworten konnte mir aber keiner geben. Manchmal muss man auf sein Herz hören und weniger auf den Verstand, man muss etwas Neues wagen und um Kurven gehen, um sein Ziel zu erreichen.

Ich mache momentan eine tolle Ausbildung und habe eine super Firma gefunden. Und das wichtigste ist: Ich habe Spaß dabei. Jetzt mit bald 24 Jahren bin ich endlich auf der Zielgeraden und in ein paar Monaten fertig mit meiner Ausbildung. Rückblickend kann ich sagen: Es war die richtige Entscheidung, vielleicht ist es nicht der absolute Traumjob, aber er macht mir Freude, ist sicher und geregelt und ich habe haufenweise Zeit in meiner Freizeit, um meinen Leidenschaften nachzugehen.

Und wer weiß, vielleicht sage ich in ein paar Jahren, ich will doch Etwas anderes in meinem Leben und beginne noch einmal von vorne und wenn das so ist, dann wäre das auch so. Das Leben ist keine Einbahnstraße, die Entscheidungen sind nicht für die Ewigkeit. Man lebt nur einmal und sollte daher so leben, wie es einem gefällt.

Ich bin die, die ich bin aufgrund meiner Erfahrungen.

Und ich mag mich.

Und ich mag mein Leben.

Bild von Free-Photos auf Pixabay. Vielen Dank für das wunderbar passende Titelbild für meinen Beitrag.

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